Embedded Finance – echter Trend oder heiße Luft?
Wer in den letzten Jahren online eingekauft hat, dürfte vermehrt auf Finanzierungsoptionen von Unternehmen wie Amazon, Klarna oder Afterpay gestoßen sein. „Embedded Finance“ nennt sich dieser Trend: Unternehmen, die primär keine Banken sind, bieten Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen an – meist als Teil ihrer Produkte beziehungsweise Services, mitunter aber auch unabhängig davon. Doch wie nachhaltig ist dieser Trend? Und was bedeutet er für die Banken?
Customer Journey – aus zwei mach eins
Embedded Finance, manchmal nicht ganz trennscharf als Embedded Banking bezeichnet, scheint an Bedeutung für nahezu jeden denkbaren Sektor zu gewinnen. Es ermöglicht den Unternehmen, Finanzprodukte in ihre kundenorientierten Kanäle zu integrieren und den Verbrauchern dadurch eine durchgängige Customer Journey zu bieten. Dies kann über die Websites und Apps von Online-Plattformen oder Stores geschehen, aber ebenfalls in spezielleren Anwendungen für Industrieunternehmen. Es macht Transaktionen einfach, schnell und bequem. Alles in allem ist es eine Chance für Anbieter, den wachsenden Anforderungen ihrer Kundinnen und Kunden gerecht zu werden, wertvolle Daten über das Bezahlverhalten der eigenen Kunden zu gewinnen und nicht zuletzt neue Umsatzquellen zu generieren.
Um besser zu verstehen, was Embedded Finance konkret bedeutet, ist es sinnvoll, sich in die Perspektive der Verbraucher zu versetzen. In den vergangenen 25 Jahren haben diese die Annehmlichkeiten des Online-Banking und Mobile-Banking kennengelernt. Weit mehr als 50 Prozent der Deutschen nutzen inzwischen digitale Kanäle, um ihre Bank- oder Versicherungsgeschäfte abzuwickeln, wobei der Anteil nochmals angewachsen ist, seit FinTechs wie N26, Monzo oder TradeRepublic mit noch smarteren Lösungen auf dem Markt erschienen sind. Für Kunden bedeutet das digitale Finanzmanagement enorme Flexibilität und hohe Convenience zu günstigen Preisen. Gleichwohl hat Online- und Mobile-Banking seine Grenzen. Möchte der Kunde beispielsweise einen neuen Fernseher kaufen und diesen finanzieren, so durchläuft er häufig noch immer zwei Customer Journeys: die des Verkäufers und zusätzlich die der Bank oder des FinTechs.
Der Grundgedanke hinter Embedded Finance kombiniert die beiden Bedürfnisse des Kunden – im obigen Beispiel Konsum und Kredit – in einer nahtlosen Customer Journey; das Ökosystem des Anbieters muss nicht verlassen werden. Die angebotene Finanzdienstleistung wird damit zu einem „Enabler“, ohne plakativ in den Vordergrund gerückt zu werden.
Vielzahl von Anwendungsfeldern
Nicht nur neue Zahlungsanbieter und E-Commerce-Unternehmen profitieren von Embedded Finance, auch für Banken und Versicherungen sowie ihre jüngeren Ableger FinTechs und InsurTechs gibt es eine Vielzahl von Anwendungsfeldern. Entlang der Customer Journey lassen sich daher bankfachliche Dienstleistungen jeglicher Couleur finden. Beginnend beim KYC-Prozess, also der Identifikation des Kunden mit geeigneten ID-Lösungen, über die Einbindung des Zahlungsverkehrs, unterschiedliche Kreditangebote, anlassspezifische Versicherungslösungen bis hin zu Digital Assets – letzteres auf dem noch in den Kinderschuhen steckenden Markt von Metaverse-Anbietern bzw. im Rahmen des Web 3.0, dessen weitere Entwicklung derzeit noch nicht vorhersagbar ist – reichen die Möglichkeiten.
Embedded Finance beschränkt sich nicht auf die privaten Kunden, sondern ist auch für Unternehmenskunden interessant, schließlich haben diese im Rahmen ihrer Lieferketten oder der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen hoch fragmentierte Customer Journeys. Eine der naheliegendsten Anwendungen ist die Rechnungsfinanzierung auf B2B-Marktplätzen oder die Unterstützung der Supply-Chain-Prozesse. Besonders innovativ sind seit einiger Zeit angebotene Lösungen, die den Zahlungsverkehr auf eine Blockchain-Infrastruktur heben und den Bezahlvorgang programmierbar machen. Damit rücken Pay-per-Use- oder auch Maschinen-zu-Maschinen-(M2M)-Zahlungen stärker in den Mittelpunkt.
Banken und Embedded Finance
Um der steigenden Nachfrage nach Embedded Finance gerecht zu werden, bietet eine langsam wachsende Anzahl von Finanzinstituten zunehmend Banking-as-a-Service (BaaS) an. Die Angebote werden oft als White-Label- oder Co-Branding-Dienste für Nichtbanken angeboten. Technologisch werden die Angebote über APIs zur Verfügung gestellt und nutzen eine der Kernkompetenzen von Banken, das Risiko- und Compliance-Management.
Viele Banken sind jedoch noch verunsichert, was den Vertrieb ihrer Produkte über Partnerunternehmen betrifft, ist dies doch gleichbedeutend mit der Aufgabe der Kundenschnittstelle. Gleichzeitig aber wird eine wachsende Anzahl an Embedded-Finance-Angeboten für Endkunden den Druck auf die Marktteilnehmer erhöhen. Am Ende der Wertschöpfung werden Kunden entscheiden, welche Angebote für sie den größten Mehrwert haben. Banken können somit Teil des Trends werden und ihre Produkte zwar mit niedrigen Margen, dafür aber hochvolumig vertreiben. Dies sollte für die Institute attraktiv sein, insofern sie den kritischen Erfolgsfaktor Kosten unter Kontrolle haben. Voraussetzung dafür: eine Neuaufstellung der häufig auf alten Technologien beruhenden bankinternen Legacy-IT-Systeme.
Nein, Embedded Finance ist keine Modeerscheinung, die bald wieder verschwindet, und erst recht ist sie keine heiße Luft. Kunden erwarten mehr und mehr eine Customer Experience, die integriert, simpel und schnell ist und die ihnen personalisierte Lösungen direkt anbietet. Erfolgreiche Unternehmen verschiedenster Branchen werden genau nach den Banking-Partnern suchen, mit deren Hilfe sie Finanzprodukte nahtlos in ihre Prozesse integrieren können.