Konjunkturprognose der Banken: Deutsche Wirtschaft erholt sich trotz Unsicherheiten weiter
- Wirtschaft wohl Ende des Jahres wieder auf Vorkrisenniveau
- Inflationsrate wird im nächsten Jahr wieder sinken
- Zinsen bleiben mindestens bis 2023 niedrig
Obwohl die Risiken für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland zuletzt wieder zugenommen haben, erholt sich die deutsche Wirtschaft spürbar. Das geht aus der Konjunkturprognose der privaten Banken hervor, die heute vorgestellt wurde. Demnach rechnen die Chefvolkswirte der privaten Banken in ihrer Herbstprognose für das laufende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent.
„Sehr erfreulich ist, dass die deutsche Wirtschaft damit bis Ende des Jahres ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen dürfte. Damit die Wirtschaft nicht an Fahrt verliert, brauchen wir möglichst schnell nach der Wahl eine Koalition mit der Kraft zum Aufbruch“, sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, mit Blick auf die Prognose. Im kommenden Jahr rechnen die Chefvolkswirte mit einem Wirtschaftswachstum von 4,6 Prozent. Dabei beruht gut die Hälfte dieses Wachstumsschubs auf dem Rückenwind des Vorjahres.
Größte Unsicherheitsfaktoren sind die wieder gestiegenen Corona-Infektionszahlen sowie erhebliche Liefer- und Produktionsengpässe, die insbesondere der deutschen Industrie zusetzen. Stärkste Stützen des Wachstums bleiben der deutlich belebte Welthandel und vor allem der private Konsum. „Wir rechnen für 2022 mit einem Plus von 7 Prozent beim privaten Verbrauch. Das wäre mit Abstand der stärkste Anstieg seit der Wiedervereinigung. Das ‚Zwangssparen‘ durch Corona scheint vorbei zu sein, die Nachholeffekte werden bis ins nächste Jahr hinein tragen“ so Ossig.
Die aktuell deutlich ansteigenden Verbraucherpreise im gesamten Euroraum sind für die Chefvolkswirte der privaten Banken vor allem auf temporäre Sondereffekte zurückzuführen: etwa ein extrem niedriges Ausgangsniveau bei den Rohstoffpreisen, Pandemie- und Lockdown-bedingte Nachholeffekte oder auch die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr.
Im kommenden Jahr dürfte die Teuerungsrate wegen der auslaufenden Sondereffekte wieder sinken. Die EZB wird daher die Leitzinsen aller Voraussicht nach bis mindestens 2023 niedrig halten. Für die Banken bedeutet dies gleichzeitig, dass sie weiterhin hohe Negativzinsbelastungen tragen müssen. Denn die Überschussliquidität, auf die sie Zinsen an die EZB zahlen, ist in den letzten anderthalb Jahren erheblich gestiegen. Rechnet man die Belastungen aus dem August hoch, müssten allein die deutschen Banken fast 5 Milliarden Zinsen pro Jahr an die EZB zahlen. Aus Sicht der privaten Banken ist es daher dringend notwendig, den Freibetrag deutlich aufzustocken.
Mittelfristig – also auf Sicht von zwei bis vier Jahren – rechnen die Chefvolkswirte mit einer Preisentwicklung, die sich auf dem Zielniveau der EZB von rund 2 Prozent einpendelt. „Das wäre für die EZB ein sehr positives Szenario und könnte endlich Perspektiven eröffnen, dass sie dann ihre sehr expansive Geldpolitik behutsam zurückfährt“, sagte Christian Ossig.
Die Konjunkturprognose des Bankenverbandes wird halbjährlich durchgeführt und beruht auf einer Umfrage unter den 15 Chefvolkswirten privater Banken, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik sind.
Heute um 12 Uhr stellen Ausschussvorsitzender Stefan Schneider und Christian Ossig bei einem Banken ON SCREEN den „Konjunkturausblick der privaten Banken: Erholungskurs mit Stolpersteinen“ vor. Hier können Sie die Veranstaltung verfolgen: Livestream-Herbstkonjunkturprognose
Mitglieder des Ausschusses sind:
Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland, Deutsche Bank AG, Ausschussvorsitzender
Burkhard Allgeier, Chief Investment Officer, Chief Econmist, H&A Global Investment Management GmbH
Dr. Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt, IKB Deutsche Industriebank AG
Daniel Bleiberg, Chefvolkswirt, Deutsche Pfandbriefbank AG
Dr. Jan Bottermann, Chefvolkswirt, National-Bank AG
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt, ING-DiBa AG, Chefvolkswirt, Hamburg Commercial Bank AG
Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt, Hamburg Commercial Bank AG
Dr. Felix Hüfner, Chefvolkswirt Deutschland, UBS Europe SE
Carsten Klude, Chefvolkswirt, M.M. Warburg & CO (AG & Co.) KGaA
Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, Commerzbank AG
Carsten Mumm, Chefvolkswirt, Donner & Reuschel AG
Dr. Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland, Unicredit Bank AG
Stefan Schilbe, Chefvolkswirt, HSBC Trinkaus & Burkhardt AG
Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG
Dr. Dirk Schumacher, Senior European Economist and Managing Director, Natixis Zweigniederlassung Deutschland
Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer, Bankenverband
Markus Becker-Melching, Chief Operating Officer, Bereich Strategie, Bankenverband
Volker Hofmann, Leiter Volkswirtschaft, Bankenverband
Prognoseübersicht
Deutschland
Prognose | |||
---|---|---|---|
2020 | 2021 | 2022 | |
Bruttoinlandsprodukt 1) | -4,6 | +3,3 | +4,6 |
Konsumausgaben priv. Haushalte 1) | -5,9 | +0,5 | +7,0 |
Konsumausgaben des Staates 1) | +3,5 | +2,5 | +1,0 |
Ausrüstungsinvestitionen 1) | -11,2 | +7,0 | +6,5 |
Bauinvestitionen 1) | +2,5 | +1,8 | +2,5 |
Exporte 1) | -9,3 | +10,0 | +6,0 |
Importe 1) | -8,6 | +10,0 | +6,5 |
Entwicklung der Verbraucherpreise 2) | +0,5 | +2,8 | +2,0 |
Zahl der Arbeitslosen (Millionen) | 2,695 | 2,610 | 2,330 |
Euro-Raum
Prognose | |||
---|---|---|---|
2020 | 2021 | 2022 | |
Bruttoinlandsprodukt 1) | -6,5 | +4,9 | +4,4 |
Entwicklung der Verbraucherpreise (HVPI) 2) | +0,3 | +2,1 | +1,6 |
Kernrate 2) | +0,7 | +1,3 | +1,4 |
Finanzmärkte und Rohstoffe
Prognose | |||
---|---|---|---|
21. September 2021 | 2021 | 2022 | |
USD/EUR | 1,17 | 1,20 | 1,24 |
Rendite Staatsanleihen Deutschl. (10 J.) | -0,30 | -0,20 | 0,00 |
Ölpreis (USD/Barrel) | 74,60 | 72,00 | 68,00 |
1) Reale Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr.
2) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr im Jahresdurchschnitt.