Peters Vorstandssitzung

Peters zur Lage der Banken in Deutschland

13. November 2019

Peters zur Lage der Banken in Deutschland

Statement von Dr. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin, und Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter Berenberg, Hamburg anlässlich der Vorstandssitzung des Bankenverbandes in Frankfurt am Main

11. November 2019

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie recht herzlich zu unserem Pressegespräch. 

Wir hatten am Vormittag eine intensive Vorstandssitzung. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie wir das Bankensystem in Deutschland und Europa stärken können. Gerade im Vergleich zu unseren Konkurrenten aus den USA oder Asien stehen wir nicht da, wo wir hingehören. 

Wer sich die Rankings der größten Banken anschaut, dem treibt es die Sorgenfalten auf die Stirn. Unter den Top 10 der größten Banken der Welt – gemessen an der Börsenkapitalisierung – befindet sich mit der HSBC lediglich ein europäisches Institut. Eine deutliche Sprache spricht auch der Return on Capital, also die Frage, wie effizient die Banken arbeiten können: Er liegt in den USA bei 14,5 %, in China bei 12 % und in Europa bei gerade einmal 8 %! 

Man kann diese Zahlen als spezifische Probleme einer Branche abtun, die mit Überkapazitäten und Regulierung zu kämpfen hat. Und natürlich dürfen wir nicht leugnen, dass einige unserer Probleme auch hausgemacht sind. 

Unsere Banken und ihre Führungsteams wissen das, und sie wissen, welche enormen Herausforderungen zu stemmen sind. Alle arbeiten hart daran, ihre Häuser auf diese neuen Rahmenbedingungen bestmöglich einzustellen. Sie fokussieren ihre Geschäftsmodelle, senken die Kosten, steigern den Kundennutzen, digitalisieren Prozesse, und das alles gleichzeitig und in einem schwierigen Marktumfeld. 

Wer mag, kann der Branche dennoch vorhalten, sie würde sich als Opfer betrachten und aus dem Jammern nicht herauskommen. Ich halte diesen Vorwurf für grundfalsch. Zumal es auch um mehr als nur um die Banken geht. Die europäische Wirtschaft und insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen finanzieren sich über Banken. Wer eine stabile europäische Wirtschaft will, muss deshalb auch an einem stabilen und sicheren Bankensektor interessiert sein.

Vor allem brauchen wir aber einen europäischen Finanzbinnenmarkt, der diesen Namen verdient. Chinesische und US-Banken haben den großen Vorteil, dass sie über einen gemeinsamen Binnenmarkt verfügen. Mit einheitlichen Regeln und gleicher Rechtsetzung. Dies fehlt in Europa. 

Die europäische Bankenregulierung ist immer noch ein Flickenteppich. Der Markt verfügt mit über 500 Mio. Einwohnern zwar über großes Potenzial, ist aber immer noch kleinteilig aufgestellt.  

Bankenunion und Finanzbinnenmarkt

Die privaten Banken begrüßen daher, dass der Bundesfinanzminister jetzt Bewegung in diese Debatte gebracht hat. Wie Sie wissen, haben wir im Einklang mit der Deutschen Kreditwirtschaft den Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2015 für eine Vergemeinschaftung der nationalen Einlagensicherungssysteme stets abgelehnt. Nicht weil wir grundsätzlich gegen eine Bankenunion sind, aber weil der Weg falsch war. 

Es ist daher gut, dass sich das Bundesfinanzministerium mit seinem in der letzten Woche skizzierten Vorschlag eines Rückversicherungssystems von den Ideen der Kommission löst. Insbesondere der Verzicht auf eine vollständige Vergemeinschaftung der Finanzmittel, wie sie die Kommission gefordert hat, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. 

Eine Bankenunion alleine wird aber nicht das Potential des europäischen Finanzmarktes heben können. Die Vollendung der Bankenunion und ein einheitlicher Finanzbinnenmarkt sind zwei Seiten einer Medaille. Noch sind wir von einer echten Chancengleichheit zwischen den Märkten der einzelnen Mitgliedstaaten weit entfernt. Die weitere Vereinheitlichung der bankaufsichtsrechtlichen Regeln muss daher mit Elan  vorangetrieben werden. Nur dann können Banken ihre Dienstleistungen den Kunden grenzüberschreitend anbieten. 

Mit Blick auf die Förderung des grenzüberschreitenden Geschäfts wäre es zudem wichtig, Eigenkapital- und Liquiditäts-Waiver für Banken zu etablieren. Diese geben den Instituten die Möglichkeit, Eigenkapital und Liquidität grenzüberschreitend zu steuern. Nur so wird es für eine Bank überhaupt erst interessant, europaweit zu agieren. 

Europäische Kapitalmarktunion

Bewegung ist auch bei einem anderen Thema zu verspüren. Ich spreche von der europäischen Kapitalmarktunion. Diese ist zentraler Bestandteil eines Finanzbinnenmarktes.Vor diesem Hintergrund befürwortet der Bankenverband mit Nachdruck die Forderung der europäischen Initiative „Markets4Europe“, der Kapitalmarktunion neue Impulse zu verleihen. Hinter „Markets4Europe“ stehen namhafte ehemalige europäische Ministerpräsidenten, EU-Kommissare, Finanzminister und Notenbankgouverneure. Die Initiative hat vor kurzem eine Roadmap zur Vertiefung des europäischen Kapitalmarktes veröffentlicht. Zu den wichtigsten Forderungen aus der Roadmap zählen die Stärkung der Investitionskultur, die Harmonisierung des Zivilrechts und eine stärkere Harmonisierung der Aufsicht. All dies unterstützen wir ausdrücklich.

Wir begrüßen sehr, dass auch die Bundesregierung das Thema über die NextCMU Initiative mit auf die europäische Agenda gehoben hat. Die Vorteile einer Kapitalmarktunion liegen auf der Hand: ein breiteres Finanzierungsangebot für Unternehmen, insbesondere auch für Start-ups – also in Bereichen, in denen Banken aufgrund regulatorischer Vorgaben kaum noch in der Lage sind, Finanzierungen zu leisten. 

Warum es bislang an europäischen Big Playern im Tech-Bereich fehlt, verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen: Rund 60 % der Venture-Capital-Finanzierungen laufen über die USA, 25 % stammen aus dem Asien-Pazifik-Raum und lediglich 15 % aus Europa. Wenn wir erfolgreiche Start-ups in Europa fördern wollen, brauchen wir breitere Kapitalmärkte und damit breitere Finanzierungsmöglichkeiten. 

Doch wir können und müssen das Bild noch größer zeichnen. Eine vollendete Kapitalmarktunion wäre ein wesentlicher Stabilitätsbeitrag für Europa. Sie würde den Kontinent resistenter gegen Finanz- und Konjunkturkrisen machen und damit seine finanzpolitische Souveränität stärken. Sie wäre obendrein ein wichtiges Signal, das die EU – ungeachtet aller bestehenden Probleme – auf einem wichtigen Politikfeld einen deutlichen Schritt nach vorne machen kann.

Vor allem die Bürger würden von einem europaweiten Wettbewerb im Finanzwesen profitieren, der zu mehr Effizienz, Innovationen und Transparenz führt. Anleger und Sparer hätten bessere Möglichkeiten, am Erfolg der europäischen Wirtschaft teilzuhaben. Gerade in einer Welt, in der Mini- und Negativzinsen zum Alltag zählen, brauchen die Menschen mehr Möglichkeiten, um rentabel fürs Alter vorzusorgen. 

Beide Projekte, der Finanzbinnenmarkt und die Kapitalmarktunion, müssen daher mit Elan von der neuen Kommission vorangetrieben werden. Sie sind von immenser Bedeutung für Europas Wirtschaft. Für unsere Branche besonders wichtig: Durch die Kapitalmarktunion entstehen neue Ertragsmöglichkeiten abseits des Zinsgeschäftes. Für einen profitablen und stabilen Bankensektor sind diese Ertragsmöglichkeiten von beinahe existenzieller Bedeutung. Denn Ihnen allen sind die Schattenseiten der gegenwärtigen Finanzwelt bekannt: Erträge und Effizienz des europäischen Bankensektors werden durch Minuszinsen und Regulierung erheblich belastet.   

EZB-Niedrigzinspolitik

An Negativzinsen dürfen und wollen wir uns nicht gewöhnen. Negative Zinsen sind ein schleichendes Gift, das sich weiter in den Bilanzen der Banken ausbreitet. Auch wenn die EZB bei ihrer jüngsten Zinsentscheidung endlich einen Staffelzins bzw. einen Freibetrag für Einlagen der Banken eingeführt hat: Die europäischen Institute werden aus heutiger Sicht weiterhin jährlich rund 5 Milliarden Euro Sondersteuer an die EZB zahlen müssen. 

Allein die deutschen Banken müssen davon fast 2 Milliarden Euro berappen. Das sind 10 Prozent ihres gesamten Jahresgewinnes aus 2018 – es waren 19 Mrd. Euro. Dies zeigt, wie gravierend die Negativzinsbelastung für die Banken ist.  

Die Belastung kann im Übrigen schon im nächsten Jahr schnell wieder steigen. Auf europäischer Ebene rechnen wir mit 6 bis 7 Milliarden Euro. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Überschussliquidität durch das neue Aufkaufprogramm wieder steigen wird.

Unseres Erachtens hat die EZB den Staffelzins extrem zurückhaltend ausgestaltet. Wenn sie – wie sie selbst betont – die Nebenwirkungen der Negativzinspolitik für die Banken eindämmen will, dann muss sie entschlossener vorgehen. Wir fordern, dass die EZB die Sonderlasten der Banken durch den Negativzins so umfassend wie möglich reduziert. Als Stellschraube bietet sich ein höherer Multiplikator der Mindestreserve an, der beim 6-fachen liegt. Als Vorbild könnte die Schweizer Notenbank dienen, die mit dem 25-fachen der Mindestreserve arbeitet.

Meine Damen und Herren, die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat eine schwere Bürde übernommen. Negativzinsen sind zerstörerisch, weil sie ökonomische Mechanismen außer Kraft setzen. Deshalb appelliere ich in Richtung EZB: Verehrte Frau Lagarde, jetzt haben Sie die große Chance für eine Geldpolitik, die Europa stark macht! Gehen Sie das Thema Negativzinsen an. Die europäische Wirtschaft ist nicht mehr im Krisenmodus – wir brauchen endlich eine konstruktive Geldpolitik!

Basel IV

Bessere Rahmenbedingungen würden wir uns auch in der Regulierung wünschen. Dies betrifft insbesondere die Umsetzung von Basel IV. Sie kennen die Zahlen der Europäischen Aufsichtsbehörde EBA: Die Eigenkapitalanforderungen europäischer Institute steigen um mindestens 135 Milliarden Euro, also um ein Viertel! 

Das alleine wäre schon eine mehr als signifikante Steigerung. Die Märkte werden aber noch mehr fordern, denn die EBA hat ihre Berechnungen lediglich auf Basis der Mindestanforderungen gemacht.Eine solch massive Erhöhung der Kapitalanforderungen wird nicht ohne Folgen bleiben. Es besteht die berechtigte Sorge, dass Banken in einer Krisensituation nicht mehr in der Lage sein werden, ihren Kunden ausreichend Kredite zur Verfügung zu stellen. Für den Mittelstand, der sich maßgeblich über Kredite finanziert, wäre fatal. 

Politik und Aufsicht haben immer wieder betont, dass mit Basel IV keine signifikante Steigerung der Eigenkapitalausstattung verbunden ist. Nicht nur die deutschen, sondern alle europäischen Banken setzten darauf, dass die Politik Wort hält!

Die Europäische Kommission ist nun gefordert! Sie muss einen Weg finden, Basel IV so umzusetzen, dass die Spezifika der europäischen Wirtschaft Berücksichtigung finden. Dies ist im Rahmen des Baseler Regelwerkes möglich! 

Fazit

Meine Damen und Herren, wenn wir Europa, unsere Wirtschaft und unser Potential stärken wollen, dürfen wir den Finanzsektor nicht außer Acht lassen. Bundesfinanzminister Scholz hat zu Recht immer wieder betont, dass eine starke Wirtschaft starke Banken braucht. Den Worten müssen jetzt Taten folgen. 

“Wir stärken den Finanzplatz Deutschland und schaffen attraktive Rahmenbedingungen“ – so lautete die Ankündigung im Koalitionsvertrag. Zur Halbzeit der Legislaturperiode sind diesen Worten viel zu wenige Taten gefolgt. In Deutschland wie in Europa.

Im schlimmsten Fall droht nicht nur mit Basel IV, sondern auch mit einer Finanztransaktionssteuer das genaue Gegenteil – nämlich neue Belastungen. In den Gedankenspielen der Politik flackert diese Steuer immer wieder von neuem auf. Offenbar ist die Versuchung, mit den aus ihr resultierenden Einnahmen alle möglichen künftigen Projekte zu finanzieren, einfach unwiderstehlich. Im Sinne der Anleger und des Aufbaus einer europäischen Aktienkultur ist sie ganz gewiss nicht. Nicht zuletzt die private Altersvorsorge erhält mit den Plänen einen schweren Nackenschlag. 

Um es klar zu sagen: Es geht nicht um ein Zurückdrehen der Regulierung. Aber dort, wo Schwächen erkennbar sind, wo zu viel Bürokratie Banken und Kunden belastet, wo Banken gehindert werden, die Wirtschaft zu finanzieren, muss die Politik für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Insbesondere sind wir gespannt auf die Überarbeitung von MiFID II. Hier ziehen wir bei den Forderungen mit dem Bundesfinanzministerium an einem Strang.

Effiziente Finanzmärkte sind von strategischer Bedeutung für Europas globale Wettbewerbsfähigkeit und seine Souveränität! 

Andere Regionen haben dies erkannt. Die Politik sollte daher stärker als bisher die Interessen des europäischen Finanzstandortes in den Blick nehmen. Nicht alleine im Interesse der Industrie, sondern im Interesse unseres Kontinents.

Damit möchte ich zum Ende kommen und freue mich auf ihre Fragen. Bitte übernehmen Sie, Herr Santen!

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