Statement von Hans-Walter Peters anlässlich der Vorstandssitzung des Bankenverbandes
Statement von Hans-Walter Peters anlässlich der Vorstandssitzung des Bankenverbandes
Dr. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin, und Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter Berenberg, Hamburg.
09. November 2020
Es gilt das gesprochene Wort
Meine Damen und Herren,
auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen zu unserem Pressegespräch. Hinter uns liegt eine sehr konstruktive Vorstandssitzung mit vielen relevanten Themen.
Lassen Sie mich zu Beginn ein paar Sätze zu meinem Amt sagen: Der Verband hat nach meiner Wiederwahl im August 2020 angekündigt, dass ich das Amt bis zu den turnusgemäßen Gremiensitzungen im April 2021 weiterführen werde.
Wie Sie wissen, werde ich zum Jahresende aus der Geschäftsleitung bei Berenberg ausscheiden – und damit auch aus dem Vorstand des Bankenverbandes. Damit ich das Amt bis zum Frühjahr weiterführen kann, hat mich der Vorstand heute für die ersten Monate des neuen Jahres zum hauptamtlichen Präsidenten berufen. Ich werde dieses Amt unentgeltlich ausüben.
Der gesamte Vorstand ist weiterhin davon überzeugt, dass das Modell eines ehrenamtlichen, im Hauptberuf fest im Bankgeschäft verwurzelten Präsidenten das richtige Führungsmodell für den Bankenverband ist. Wir werden deshalb im April 2021 zu einem ehrenamtlichen Präsidenten zurückkehren.
Wirtschaft und Banken in Zeiten der Pandemie
Und nun zu den Themen: Worüber haben wir gesprochen, was beschäftigt die privaten Banken im Augenblick? Welche Erwartungen haben wir für 2021? Und ganz konkret: Was bedeuten Corona und das aktuelle Infektionsgeschehen für die Wirtschaft und für unsere Institute? Lassen Sie mich hierzu in aller Kürze einige Anmerkungen machen.
Die zweite Corona-Welle hat uns schneller eingeholt, als viele noch vor einigen Wochen gedacht haben. Jedem ist bewusst: Der Teil-Lockdown wird natürlich auch Konsequenzen für die wirtschaftliche Erholung haben.
Das ist einerseits beunruhigend. Andererseits darf ich für die Banken sagen: Niemand war so leichtfertig, mit einem schnellen Ende der Pandemie zu rechnen. Es war immer klar, dass es Rückschläge geben könnte. Und deswegen sehen wir den kommenden Wochen zwar alles andere als entspannt entgegen. Aber wir sehen auch keinen Anlass für übertriebene Sorgen oder gar Panik.
Im Oktober habe ich anlässlich der IWF-Herbsttagung etwas zur Stabilität unserer Branche gesagt. Und ich bleibe bei meiner Aussage, die ich vor dreieinhalb Wochen gemacht habe: Das Bankensystem in Deutschland ist heute stabil – und es wird auch morgen stabil sein. Wir haben in den letzten Jahren viel getan, damit das so ist. In puncto Eigenkapital waren die Banken vor zehn Jahren noch Leicht- oder Mittelgewicht. Heute sind wir in der Schwergewichtsklasse.
Uns allen ist klar: Es wird im nächsten Jahr einen Anstieg der notleidenden Kredite geben. Wir sind darauf vorbereitet. Kreditausfälle werden die Institute nicht kalt erwischen. Die Banken haben engen Kontakt zu ihren Kunden, sie beobachten die wirtschaftliche Lage. Und sie sind deswegen imstande, Risiken neu einzustufen, wenn dies notwendig ist. Dies ist die tägliche Arbeit der Institute.
Die Banken stehen auch in der zweiten Corona-Welle an der Seite ihrer Kunden. Schon in der ersten Phase der Pandemie haben die Institute ihre Kreditvergabe trotz aller Widrigkeiten ausweiten können und dringend benötigte Liquidität bereitgestellt.
Dies war auch deswegen möglich, weil Regelsetzer und Aufsicht viele pragmatische Entscheidungen getroffen haben. Dafür sind wir dankbar. Durch die verschiedenen Erleichterungen konnten Banken ihr Potenzial noch besser ausschöpfen und mehr Kredite bereitstellen.
Die Erleichterungen sind auch weiterhin notwendig. Denn die Zeiten werden nicht einfacher. Die Risiken in einigen Branchen steigen, und das wirkt sich zwangsläufig auf die Kreditvergabe aus. Doch glauben Sie mir: Die Banken tun ihr Bestes, um mit ihren Kunden gemeinsam aus dieser schwierigen Phase hinauszukommen.
Die Erträge der Institute stehen in Zeiten zu erwartender Kreditausfälle und niedriger Zinsmargen mehr denn je unter Druck. Ich bin daher überzeugt, dass noch weitere Erleichterungen sinnvoll und notwendig sind. Wir brauchen sie, um die Finanzierung der Wirtschaft weiter sicherzustellen, aber auch um die Banken zu stärken. Starke Banken garantieren eine dauerhaft zuverlässige Kreditversorgung.
An welche Maßnahmen denke ich, um die Kapitalbasis der Kreditinstitute zu stärken? Ich denke beispielsweise an eine dringend notwendige Nachjustierung bei der Bankenabgabe.
Bei der Bankenabgabe sollten wir uns daran erinnern, wovon alle Beteiligten bei Errichtung des Single Resolution Funds ausgingen: Die zu erreichende Zielausstattung des Fonds in Höhe von 1 Prozent der gedeckten Einlagen bei den Banken sollte bis Ende 2023 bei etwa 55 Milliarden Euro liegen.
Der drastische Anstieg der gedeckten Einlagen hat die zu erreichende Zielausstattung des Fonds allerdings um etwa 30 Prozent auf ungefähr 70 Milliarden Euro erhöht. Die Bankenabgabe ist deshalb stark angestiegen. Lag der Beitrag der europäischen Kreditwirtschaft 2016 noch bei 6,4 Milliarden Euro, reden wir dieses Jahr über 9,2 Milliarden Euro – Tendenz steigend. In der augenblicklichen Situation ist das nicht zu rechtfertigen.
Den Anstieg der gedeckten Einlagen haben die Banken nicht zu verantworten. Er wurde insbesondere durch die Ankaufpolitik der EZB verursacht und war bei Errichtung des Fonds nicht vorhersehbar.
Darum sollten wir zum Zustand zurückkehren, der Grundlage für die damalige Entscheidung aller Beteiligter war. Das sieht die Europäische Bankenvereinigung übrigens genauso. Die Höhe der Bankenabgabe sollte nicht proportional mit den gedeckten Einlagen steigen, sondern sich an der Zielausstattung von 55 Milliarden Euro orientieren.
Dadurch stünden den europäischen Banken zusätzliche Mittel in Höhe von etwa 15 Milliarden Euro zur Verfügung. In der aktuellen wirtschaftlich schwierigen Lage wäre dies ein wichtiger Beitrag, um den Kreditvergabespielraum der Banken zu erweitern und das Bankensystem insgesamt zu stärken.
Banken und Strukturwandel – Sustainable Finance und Digitalisierung
Meine Damen und Herren, starke Banken sind auch deswegen nötig, weil unsere Volkswirtschaft vor einem fundamentalen Wandel steht. Wir befinden uns mitten in einem Transformationsprozess, der unsere Wirtschaft sehr viel schneller digitalisieren wird als bis vor Kurzem angenommen. Das Thema Mobilität müssen wir neu denken. Wir sprechen über veränderte Liefer- und Produktionsketten.
Einige Branchen werden nicht mehr das Niveau erreichen, das sie vor der Krise hatten. Andere Branchen werden an Bedeutung gewinnen. Das wird sich auf das Kreditgeschäft der Banken auswirken – aber nicht nur auf das Kreditgeschäft. Der Strukturwandel und mit ihm die großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel und Digitalisierung – werden unsere Branche erheblich verändern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz die staatlichen Hilfsprogramme erwähnen. Sie waren und sind richtig und wichtig. ABER: Wir müssen jetzt die Weichen stellen für die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Die Hilfen müssen die gesunden Unternehmen stärken, die zukunftsfähigen Betriebe in den Fokus nehmen. Wir müssen das Prinzip „Gießkanne“ beenden! Wir brauchen genau das Gegenteil: Wir müssen unsere fitten Unternehmen durch die Krise bringen. Es gilt jetzt die Strukturen für Post-Corona stärken!
Und deshalb sind „Sustainable Finance“ und Digitalisierung die beiden zentralen Themen, die im kommenden Jahr auf der Agenda der privaten Banken ganz weit oben stehen.
Zunächst zum Thema Sustainable Finance. Im Finanzsektor spüren wir, dass es in diesem Bereich viel Bewegung gibt. Unsere Kunden fragen verstärkt nachhaltige Produkte nach – nicht nur im Anlage-, sondern auch im Kreditgeschäft. Die führenden Investorenhäuser üben wachsenden Druck auf die großen Industrieunternehmen aus, sich dem Klimaschutz zu verschreiben.
Klar ist: Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft und in neue Technologien sind der beste Weg, das Klima zu schützen. Diese Investitionen müssen finanziert werden. Und wer könnte das besser als Banken.
Für uns Banken heißt das: Wir wollen und müssen Sustainable Finance zu einer Erfolgsgeschichte machen! Auch deshalb haben sich zwei Drittel unserer Mitglieder – gemessen an der Bilanzsumme – bereits selbst verpflichtet, ihre Geschäfte im Einklang mit den Pariser Klimazielen auszurichten.
Damit sich nachhaltige Investitionen rechnen, müssen aber auch auf politischer Ebene die Weichen richtig gestellt werden. Da fallen uns einige Beispiele ein. Ich denke etwa an eine staatliche Risikoteilung bei Nachhaltigkeitsprojekten. Ich denke an eine angemessene Bepreisung der CO2-Emissionen, die Dreh- und Angelpunkt jeder erfolgreichen Klimapolitik ist.
Und ausdrücklich denke ich an Erleichterungen bei der Kreditvergabe. Unsere Forderung lautet: Die Eigenkapitalanforderungen bei nachhaltigen Krediten sollten pauschal gesenkt werden. Das bedeutet nicht, dass diese Kredite per se als risikoarm ausgewiesen werden. Aber es würde bedeuten, dass wir der Kreditvergabe in diesem Bereich durch niedrigere Kapitalkosten einen Schub verleihen könnten. Nachhaltige Projekte würden sich eher rechnen.
Der Klimawandel hat Folgen für alle Bereiche des Bankgeschäfts: für die Geschäftsstrategie, das Risikomanagement, den Vertrieb, das Berichtswesen. Er wird die Institute verändern. Aber wir wollen auch selbst verändern – das muss der Anspruch der Banken bei den Themen „Nachhaltigkeit“ und „Sustainable Finance“ sein.
Das gleiche könnte ich auch über das andere große Thema sagen, die Digitalisierung. Auch hier lautet die Frage: Treiber oder Getriebene? Banken wollen die Treiber sein. Dafür müssen sie in allererster Linie selbst Hand anlegen. Sie müssen investieren, sie müssen mutig sein, sie müssen immer wieder neu denken.
Digitalisierung wird im kommenden Jahr aber auch ein großes politisches Thema sein, speziell auf der europäischen Ebene. Die Kommission hat vor wenigen Wochen ihre digitale Finanzstrategie veröffentlicht und dabei viele wichtige Themen benannt. Sie hat sich in diesem Zusammenhang zu dem übergeordneten Motto „Gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regeln“ bekannt. Diesen Ansatz unterstützen wir ausdrücklich.
Klar ist: Die Digitalisierung der Finanzmärkte muss vorangehen. Wir brauchen eine Entscheidung zum digitalen Euro, wir brauchen einen Binnenmarkt für Daten, also einen branchenübergreifenden europäischen Rechtsrahmen für den Austausch von Daten innerhalb Europas mit gleichen Chancen für alle Marktteilnehmer. Wir brauchen einen europäischen Rechtsrahmen, der digitale Innovationen fördert und den fragmentierten europäischen Markt überwindet.
2021 wird nicht das Jahr sein, in dem dies alles entschieden wird. Aber 2021 müssen wir mit großen Schritten in die digitale Zukunft des Kontinents gehen. Man kann es nicht oft genug sagen: Gerade auf dem Feld der Digitalisierung entscheidet sich, ob Europa langfristig auf Augenhöhe mit den USA und China agieren kann.
Ganz zum Schluss möchte ich kurz auf die Wahlen in den Vereinigten Staaten eingehen. Nach dem jetzigen Stand haben die Amerikaner Joe Biden zum neuen Präsidenten gewählt. Das ist eine gute Nachricht für Deutschland und Europa. Darüber freue ich mich auch persönlich.
Es ist jetzt wichtig, dass die USA bis zur geordneten Amtsübergabe handlungsfähig sind. Stabilität ist nicht nur für die Bürger von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Wirtschaft, die Kapitalmärkte und die Banken.
Auch unter einem Präsidenten Joe Biden wird es weiterhin Reibungspunkte im transatlantischen Verhältnis geben. Aber es gibt zugleich die begründete Hoffnung auf einen Neustart der Beziehungen, wenn auch Europa mehr Verantwortung übernimmt. Die internationale Gemeinschaft braucht ein Amerika, das zurückkehrt zur multilateralen Zusammenarbeit.