Umfrage: Deutsche Wirtschaft aufgeschlossen gegenüber Brüsseler Klimaschutzpolitik
Gemeinsame Presseinformation OMFIF und Bankenverband
- Repräsentative Forsa-Umfrage unter Unternehmen ab 250 Mitarbeitern
- Insbesondere Mittelständler geben EU „Vorschusslorbeeren“
- Börsennotierte Unternehmen erwarten Steigerung der Taxonomie-Quoten
Deutsche Unternehmen und insbesondere der deutsche Mittelstand stehen einem Umbau hin zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft aufgeschlossen gegenüber. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage zu „ESG-Herausforderungen für Großunternehmen in Deutschland“ unter 104 mittelständischen und 32 börsennotierten Unternehmen.
Die Umfrage entstand im Auftrag des internationalen Wirtschaftsforschungsinstituts OMFIF in Kooperation mit dem Bankenverband, dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee, der Bertelsmann Stiftung, The New Institute sowie weiteren Organisationen und wird heute in Berlin vorgestellt.
„Wir sehen uns durch die Ergebnisse der Umfrage bestätigt. Denn auch die Wirtschaft hat erkannt: Nicht Handeln ist keine Option. Wir haben ein starkes Interesse, dass die Wirtschaft sich nachhaltiger aufstellt. Auch die Banken wollen, dass Unternehmen noch in 10 oder 20 Jahren tragfähige Geschäftsmodelle haben. Der Weg Richtung CO2-Neutralität ist vorgegeben – hier wird das Rad nicht zurückgedreht,“ sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes.
„Unsere Umfrage verstärkt den Eindruck, dass deutsche Unternehmen für die kommende ‚Vergrünung‘ der europäischen und internationalen Wirtschaft sich immer mehr wappnen,“ sagte David Marsh, Vorsitzender von OMFIF. „Ein wichtiger Meilenstein wird aufgestellt, denn diese Umfrage ist die aktuellste, wenn nicht die einzige, die nach Ankündigung der EU-Corporate Sustainability Reporting Directive erscheint.“
Besonders groß ist die Zuversicht laut Umfrage bei mittelständischen Unternehmen: Drei Viertel der Befragten erwarten mindestens gleichermaßen Vor- wie Nachteile für ihr Unternehmen durch die Brüsseler Klimaschutzpolitik. Die Hälfte der Mittelständler geht sogar davon aus, dass sie ihrem Unternehmen unterm Strich nutzen wird. Die Ergebnisse sind auch deswegen bemerkenswert, weil für mittelständische Unternehmen die Corona-Krise und die damit verbundenen Folgen derzeit weiterhin noch die mit Abstand wichtigste Herausforderung für die kommenden 12 Monate darstellen (45%), gefolgt von Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens (29%).
Etwas skeptischer blicken die börsennotierten Unternehmen auf die Brüsseler Klimaschutzpolitik: Knapp 60 Prozent erwarten wirtschaftlich mindestens gleichermaßen Vor- wie Nachteile infolge des EU-Green Deals; immerhin ein Drittel erwartet eher Vorteile. Und trotz der Nachwehen der Coronapandemie sehen börsennotierte Unternehmen bereits heute die Erfüllung der neuen Nachhaltigkeits-Berichtspflichten als wichtigste anstehende Herausforderung (34%); erst dann kommt die Bewältigung der Corona-Krise und deren Folgen (31%).
Eine der größten Überraschungen der Umfrage: Drei Viertel der befragten mittelständischen Unternehmen begrüßen, dass die EU die nicht-finanziellen Berichterstattung auch auf ihre Unternehmen ausweiten will. Allerdings hatte erst die Hälfte der mittelständischen Unternehmen davon bereits gehört. „Soweit es um Nachhaltigkeit geht, gibt der Mittelstand Brüssel derzeit also ´Vorschusslorbeeren´ für Regelungen zu mehr Transparenz“, sagt Janine von Wolfersdorff, Leiterin der Studie und Mitglied des OMFIF-Zentralbeirats. „Die Politik sollte sich jetzt allerdings keineswegs zurücklehnen, sondern gerade den Mittelstand jetzt in der Transformation fördern und unterstützen, auch das ist eine klar geäußerte Forderung der befragten Unternehmen.“
Erstmals konnten mit der Umfrage auch Anhaltspunkte zu den „Taxonomie-Quoten“ unter deutschen börsennotierten Unternehmen abgefragt werden. Die EU-Taxonomie beschreibt und klassifiziert Aktivitäten nachhaltigen Wirtschaftens, Unternehmen müssen hierzu erstmalig ab 2022 für das Berichtsjahr 2021 berichten. Knapp die Hälfte der Unternehmen, die Quoten genannt haben, schätzt derzeit den Anteil ihrer Umsatzerlöse wie auch für Investitionen in taxonomie-konforme Aktivitäten bereits auf bis zu 10 Prozent, immerhin rund 5 Prozent sogar auf bis zu 50 Prozent. Mit großer Mehrheit gehen die börsennotierten Unternehmen in den nächsten fünf Jahren zudem von einer Steigerung dieser Taxonomie-Quoten bei Umsatzerlösen und Investitionsausgaben aus (88% bzw. 78%). Das zeigt das Potenzial für Sustainable Finance.
Zur Vorstellung der Umfrage im Livestream ab 9.30 Uhr geht es hier.
Die Kooperation, in deren Rahmen die Umfrage durchgeführt wurde, und an dem auch Flossbach von Storch, die Luxembourg Stock Exchange und die Steuerberatungs-/Rechtsanwaltsgesellschaft Andersen beteiligt sind, steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums der Finanzen sowie der Botschaft Luxemburgs in Berlin. Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 104 nicht-börsennotierte Großunternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern sowie 32 börsennotierte Unternehmen befragt. Die Befragung erfolgte telefonisch bzw. online anhand eines strukturierten Fragebogens zwischen dem 5. Mai und 4 Juni 2021. Die Umfrageergebnisse sind hier abrufbar.